Mein Hund lässt mich nicht alleine!

Allgemeines
Muckie schrieb am 18.01.2017
Hallo.
Ich habe einen kleinen Mischling aus Rumänien. Seid August lebt er schon bei mir (war da ein Jahr alt). Als er geschätzt zwei Wochen alt war wurde er in Rumänien zusammen mit seinen Geschwistern gefunden, allerdings ohne Mutter. Er kam gemeinsam mit seinen Geschwistern in eine mittel große Pflegestelle und von da aus wurden sie alle nacheinander an ihre jetzigen Besitzer vermittelt. Im Juli wurde er kastriert.

Die meisten anfänglichen Schwierigkeiten konnten wir inzwischen beheben, allerdings noch nicht alle.

1.Er versteht sich super mit meinem Lebensgefährten, jedoch sind die ersten 5 Minuten wenn mein Partner in die Wohnung/oder in den Raum kommt schwierig. Mein Hund bellt dann vereinzelt und fängt an zu knurren. Nach fünf Minuten hört er dann aber wieder auf. Wenn allgemein Besuch kommt ist das auch oft so. Zu meinen Partner kommt er danach aber irgendwann auch wieder zum kuscheln und Spielen. Bei Beauchern dauert es sehr lange bis er sich denen nähert und meist auch nur dann wenn er mit Leckerlies bestochen wird. Beim anleinen pinkelt er sich ein wenn das mein Partner macht. Bei mir nicht.

2. Er will immer bei mir sein. Wenn ich den Raum ohne ihn verlasse legt er sich direkt vor die Tür und wartet bis ich wieder in den Raum rein komme. Wenn ich weg fahre, also die Wohnung verlasse, fängt er an zu jaulen. (auch ca 5-10 Minuten) und wartet danach auch direkt vor der Tür. Sobald ich wieder komme ist er total aufgedreht und pinkelt vor Freude und fängt an zu heulen und an mir hoch zu springen wie ein irrer. Es dauert dann immer etwas bis er sich wieder beruhigt. Ich ignoriere Ihn immer solange bis er sich wieder beruhigt hat und schenke ihm erst dann Aufmerksamkeit wenn er sich friedlich hingelegt hat. Allerdings hat das anscheinend keine große Wirkung auf ihn. Die Zeitspanne bis er sich beruhigt wird nicht geringer und die Begrüßung von ihm auch nicht ruhiger. Manchmal fängt er auch schon das heulen an wenn ich von der Toilette zurück komme.
Da ein Kleinkind mit im Haushalt lebt, das auch tagsüber noch viel schläft ist das manchmal echt ungünstig, da das Kind davon aufwacht.
1 Antwort
Marina Krieg | Hundetrainer/in
schrieb am 24.01.2017
Hallo,

zu 1.:
Bei Tierschutzhunden weiß man meist nichts über deren Vergangenheit oder was sie zuvor erlebt haben. Dass sie also misstrauisch gegenüber fremden Personen sind, ist nicht selten der Fall.
Es mag komisch klingen, aber: Dass Ihr Hund knurrt, ist gut! Knurren ist Kommunikation, es ist eine "Warnung", die man ernstnehmen, nicht ignorieren und schon gar nicht bestrafen sollte, sonst kann es passieren, dass er das nächste mal nicht mehr knurrt, sondern gleich schnappt.
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund sich nicht von Ihrem Partner bedrängt fühlt. Als Beispiel: Möchte er sich z.B. mit aufs Sofa setzen, schicken Sie Ihren Hund vom Sofa auf seinen Liegeplatz.
Zum Anleinen: Finden Sie heraus, was Sie anders machen als Ihr Partner. Verhindern Sie, dass er sich über Ihren Hund beugt, das wirkt auf Hunde bedrohlich. Lassen Sie ihn sich hinhocken und den Hund freiwillig zu ihm kommen. Auch langsame Bewegungen sind hilfreich, wenn er ihm noch nicht so vertraut.
Klappt dies nicht, leinen Sie Ihren Hund selbst an, damit er keine schlechten Erfahrungen macht.

Als Desensibilisierungstraining: Wenn er in den Raum hineinkommt, er ihn wahrnimmt, aber noch nicht knurrt, dann loben Sie ihn und belohnen ihn mit Futter (von Ihnen, nicht von Ihrem Partner, das könnte für ihn noch zuviel sein).
Sollte er doch knurren, ist das für Sie ein Zeichen, dass die Distanz zu klein oder die Aktivität Ihres Partners zu hoch ist und Sie machen kleinere Trainingsschritte (Distanz wieder vergrößern, Aktivität herunterfahren etc.).
Es handelt sich hierbei um ein komplexes Training, in dem das Timing eine große Rolle spielt, daher rate ich, einen Experten hinzuzuziehen. Qualifizierte Hundetrainer und/oder Verhaltensberater finden Sie unter https://trainieren-statt-dominieren.de/trainer-umkreissuche oder http://www.hundeschulen.de/menschen-mit-hund/hundeschule-finden/hundeschulen-verzeichnis.html .

Zu 2.:
Ihr Hund leidet unter Trennungsangst.
Hunde sind sozial lebende Tiere, bei denen Alleinsein nicht zum Normalverhalten gehört. Dies sollte demnach gut gelernt werden und bedarf Training.
Während der Trainingsphasen sollte sichergestellt werden, dass der Hund nicht allein bleiben muss (Betreuung durch Familie, Freunde, Hundesitter etc.), damit das bisherige Training nicht umsonst ist oder sich die Angst verstärkt.

Als Training: Zunächst entfernt man sich, wenn der Hund auf seinem Platz liegt nur kurz (ein paar Sekunden) aus dem Blickfeld des Hundes und kommt kommentarlos wieder zurück. Wenn der Hund dabei entspannt liegen geblieben ist, kann die Zeit schrittweise verlängert bzw. in ein anderes Zimmer gegangen werden.
Sollte der Hund dennoch einmal winseln etc., wartet man kurz, bis er ruhig ist und kommt erst dann wieder zurück. Dieser Schritt war für den Hund doch wieder etwas zu groß und beim nächsten Mal geht man wieder einen Schritt zurück. Dies ist bei Ihnen zunächst der erste Schritt, denn so wie Sie schreiben, beobachtet Ihr Hund Sie sehr stark.
Keine Verabschiedungs- und Begrüßungsrituale durchführen, denn:
Beim Verabschieden kann sich die Stimmung des Menschen auf den Hund übertragen
Bei einer überschwänglichen Begrüßung oder sogar Belohnung würde der Hund nur noch sehnsüchtiger auf die Rückkehr des Menschen warten und nicht entspannt schlafen
das Gehen und Kommen soll für den Hund ganz normal werden.

Nächster Trainingsschritt: Ankündiger für den wirklichen Aufbruch müssen abgebaut werden. Das heißt, es soll unberechenbar für den Hund werden, wann man wirklich das Haus verlässt. Also zieht man sich die Schuhe und die Jacke an, zieht sie wieder aus und setzt sich zurück aufs Sofa. Ist der Hund dabei entspannt, nimmt man beim nächsten Mal noch den Schlüssel dazu in die Hand. Dies macht man mehrfach am Tag und geht dabei sehr kleinschrittig vor- immer nur so weit wie der Hund noch entspannt bleiben kann.
Beim nächsten Schritt kommt dann das Öffnen der Wohnungs-/Haustür dazu, diese wird gleich wieder geschlossen und man geht zurück.
Diese Trainingseinheiten sollten Sie mehrmals am Tag wiederholen und immer erst den nächsten Schritt angehen, wenn der Hund keinen Stress mehr hat.

Der Aufbau eines sogenannten Sicherheitssignals, wie z.B. einer Hundebox als Rückzugsort, ist sinnvoll. Eine Box (sofern sie positiv verknüpft und entsprechend trainiert wurde) ist für den Hund ein überschaubarer und geschützter Ort.

Während einer oben genannten Trainingssituation ist es auch möglich, dem Hund ein bestimmtes Signal (am besten ein optisches wie z.B. ein auf dem Boden ausgelegtes Handtuch oder eine Vase) zu geben, das für die Zukunft bedeutet: Wenn mein Mensch jetzt weg geht, kommt er wieder, bevor ich Stress habe.

Geruchströster wie z.B. ein vom Menschen getragenes Shirt oder ein Pheromonhalsband oder -spray (D.A.P.) können zur Unterstützung mit im Training benutzt werden und mit der Entspannung des Hundes verknüpft werden.
Auch ein gefüllter Kong® kann ein weiteres Hilfsmittel sein, da das Lutschen beruhigend wirkt. Doch auch dies sollte vor dem Training erst in der Anwesenheit des Menschen getestet werden.
Um dem Hund die eigene Abwesenheit noch etwas "schmackhafter" zu machen, kann man ihm den Kong kurz vorm Verlassen der Wohnung überlassen und bei der Rückkehr gleich wieder wegnehmen. Dies funktioniert jedoch nur, wenn der Hund beim Verlassen der Wohnung bereits weitestgehend stressfrei ist, sonst ist die Angst zu groß, um fressen zu können.

Wie lang ein solches Training dauert, ist nicht absehbar. Faktoren dafür sind die Zeit und Konsequenz der Halter für das Training, die Lernerfahrungen und der Grad der Angst des Hundes.
Ein Training bei Trennungsanst ist eine langfristige Herausforderung, kurzfristig hilft da nur ein Hundesitter.

Auch für diesen Fall empfehle ich einen Hundetrainer/Verhaltensberater, der das Training begleitet.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.

Viele Grüße von den Ostseepfoten.
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