Eifersucht (?) in den Griff bekommen

Aggressivität ❯ Gegenüber anderen Hunden
AngelikaW schrieb am 03.02.2015
Guten Tag,

ich habe 2 unkastrierte Pekingesenrüden.

Pablo, 3,5 Jahre, extremer Angsthund als Welpe (vermutlich schlimmes Welpentrauma mit Misshandlung und Kieferbruch). Hatte Angst vor absolut allem, den kleinsten Geräuschen, Menschen, Tieren, wollte vor allem fliehen und wenn er nicht fliehen konnte, machte er sich platt wie eine Flunder und erstarrte wie Eis), fühlt sich auch heute noch nur im häuslichen Umfeld inkl. Garten richtig wohl, sucht immer engen Kontakt zu mir - ganz extrem außerhalb der gewohnten Umgebung; ansonsten verschmust, etwas launenhaft, schüchtern, reagiert auch heute noch nervös mit Fluchttendenz, wenn fremde Personen auf dem Grundstück sind.

Gary, 2 Jahre, sehr selbstbewußt, offenes Wesen, gelassen, hat vor nichts auf der Welt Angst, sehr selbstständig, freundlich zu Mensch und Tier, immer gut gelaunt, nicht streitsüchtig, stellt sich aber, wenn er von anderen Hunden "angefeindet" wird und scharrt dann dominant und/oder knurrt wie ein Bernhardiner.

Die Zusammenführung gestaltete sich nicht ganz leicht, weil Pablo anfangs große Angst vor Gary hatte, obwohl der noch ein Welpe war. Beide wuchsen jedoch gut zusammen, wurden Freunde, die viel miteinander spielen und fast alles gemeinsam machen. Es gab niemals Streit um Spielzeug oder Liegeplätze. Kommentkämpfe gab es viele, immer mit lautem Getose und körpernah, jeder mal oben, jeder mal unten. Übernahme der Rudelführung durch den souveräneren Gary erfolgte aber unspektakulär und völlig unblutig. Irgendwann fiel mir auf, das Gary (nach mir!) zuerst zur Tür raus geht oder zuerst an den Gartenzaun läuft und schaut, wenn fremde Leute am Grundstück vorbei gehen, während Pablo im "Sicherheitsabstand" von 1 Meter folgt. Allerdings spielt Pablo kaum mehr mit seinem früher so geliebtem Spielzeug, er hat es aufgegeben, weil eh Gary angelatscht kommt und es auch "gebrauchen" könnte. Finde ich aber nicht weiter schlimm. Ich kann mit Pablo ja auch alleine in den Garten gehen und seine Lieblingsspiele (Dummy suchen) spielen.

Soweit alles bestens. Pablo ist durch Gary ausgeglichener geworden, nicht mehr so nervös (wir wohnen an einer Hauptstraße und es ist relativ laut) und fühlt sich insgesamt sicherer.

Doch nun zu meinem Problem:

Pablo hat früher immer bei mir im Bett geschlafen, Gary gefiel es dort nicht und schlief schon immer im Hundebett oder irgendwo auf dem Boden. Vor ein paar Monaten fing dann Pablo an und knurrte, wenn Gary Männchen machte um zu sehen, ob wir schon wach sind. Nachdem ich das Verhalten durch Schimpfen nicht abstellen konnte, quartierte ich Pablo kurzerhand aus und auch er musste mit einem Hundebett vorlieb nehmen. Dann war erstmal lange Zeit Ruhe. Ein paar Monate später ging die Knurrerei wieder los, sobald ich Pablo auf der Couch zum Kämmen hatte und Gary übernahm dieses unerwünschte Verhalten seinerseits. Ich versuchte es erfolglos mit strengem "Schluss", setzte zeitweise auch ein Presslufterziehungsspray ein. Das Spray macht einen starken Zischlaut, klappte auch ganz gut, aber ich war mir unsicher, ob das wegen Pablos Geschichte nicht mehr kaputt machen würde als gut, denn Pablo machte das Spray richtig Angst, auch wenn ich es wirklich nur punktgenau einsetzte. Deshalb beschloss ich erstmal, die Hunde gar nicht mehr auf die Couch zu lassen, um den Automatismus "ist einer zu eng bei Frauchen, werde ich zur knurrenden Furie" zu durchbrechen und nur einzeln auf einem Groomingtisch zu kämmen (die Hunde merkten schnell, der Tisch ist zu hoch, um mit dem anderen ein Gerangel anzufangen und blieben beide ruhig - der oben auf dem Tisch und der unten auf dem Boden). Alles in Allem zwar nicht der Idealzustand, aber gut - man kann damit leben.

Nun fangen die beiden aber an, auch eifersüchtig (?) zu reagieren, wenn ich einen streichle. Sobald ich das tue (oder andere Familienmitglieder), wird der andere argwöhnisch beäugt. Gestern ging es soweit, das sie wild knurrend mit langsamen Schritten immer und immer wieder den Tisch umrundeten. Pablo stocksteif und mit abgewandtem Kopf knurrend voraus, Gary knurrend dicht folgend. Da sie auf ein lautes "Schluss" nicht reagierten, ging ich aus dem Zimmer. Es dauerte noch lange, bis endlich wieder Ruhe einkehrte und beide relaxed waren. Wir gingen dann noch gemeinsam in den Hof spielen und alles blieb ruhig..

Wenn die beiden aus anderen - mir in der Regel nicht ersichtlichen Gründen - mal Streit haben (haben sie öfter, sie sind halt Pekingesen), verläuft das relativ harmlos, auch wenn es manchmal gefährlich aussieht, ist doch jeder bedacht, den anderen nicht wirklich zu verletzen. Mehr als ein paar Haare musste da noch nie einer lassen. Gary stellt sich dann mit seinen Vorderläufen auf Pablos Rücken und knurrt solange, bis Pablo unten ruhig ist. Stellt Pablo das Knurren ein, hört auch Gary sofort auf zu knurren und legt sich wieder total relaxed neben Pablo. Meist ist es Pablo, der zum Stieren anfängt und Gary läßt sich mittlerweile nicht mehr lange bitten. Wenn es um einen erhöhten Sitzplatz ganz nah bei mir geht, mag Pablo nicht beigeben. Pablo ist alles andere unwichtig, Spielzeug, Fressen, Kuschelkissen. Nur die Nähe zu mir nicht. Nach Streit ist i.d.R. schnell wieder Friede, Freude, Eierkuchen.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich mit Gary öfter auf Ausstellungen bin. Da kommt es öfter mal vor, dass ein fremder Rüde mit bei uns auf dem Groomingtisch sitzt. Von Gary´s Seite gab es da noch nie irgendwelche Aggressionen.

Meine Einschätzung: Die Entwicklung bei meinen Jungs zeigt einen Automatismus, der nachhaltig unterbrochen werden muss, sonst besteht irgendwann die Gefahr, dass es eine ernsthafte Keilerei gibt. Gerade Pekingesen verletzen sich schnell an den Augen. Deshalb hoffe ich sehr auf umsetzbare Tipps. Hier in der Gegend gibt es leider keinen erfahrenen Hundetrainer oder -psychologen, der sich die Situation vor Ort anschauen könnte. Deshalb meine ausführliche Schilderung.

Mit besten Grüßen



7 Antworten
Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Angelika,
vielen Dank für die ausführliche Beschreibung der Hunde und der Situation.
Trotzdem ist es schwierig, die Situation zu beurteilen und Ratschläge zu geben, ohne Sie und die Hunde zusammen gesehen zu haben. Deshalb kann ich nur raten.
Vorerst hätte ich noch ein paar Fragen.
Springen die Hunde von alleine auf das Sofa oder rufen Sie sie? Fordern die Hunde öfter Recourcen wie Spielen, Futter, Streicheln ein? Und wie reagieren Sie darauf. Wie gehorchen die beiden ansonsten?

Liebe Grüße
Ellen Mayer
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AngelikaW | Fragesteller/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Ellen,

vielen Dank für Ihre Bereitschaft, mir zu helfen. Hier die Beantwortung Ihrer Fragen:

Keiner der Hunde springt von alleine aufs Sofa, hat noch nie einer probiert, obwohl beide wahrscheinlich alleine hoch kämen. Wenn ich einen auf dem Sofa haben will, fordere ich ihn mit "Hopp" auf, zu mir zu kommen und die Vorderpfoten aufs Sofa zu stellen, um ihn dann hochzuheben.

Zum Thema Ressourcen: es liegen zwar in der Wohnung einige wenige Plüschtiere herum, diese werden von den Hunden aber nur ganz ganz selten beachtet. Wichtige Spielzeuge, mit dem "Aktion und Spaß" verbunden sind - wie Preydummy oder Kong - stehen allerdings niemals zur freien Verfügung, auch nicht für wenige Minuten.

Die Hunde betteln niemals. Selbst wenn auf dem niedrigen Wohnzimmertisch Essen liegt, käme nie einer auf die Idee, sich aufzustellen und auf den Tisch zu schauen oder gar etwas zu klauen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Liegeplätze auch zu den Resourcen gehören, deshalb der Hinweis, dass es quasi in jedem Zimmer der Wohnung für jeden der Hunde einen komfortablen Platz gibt, damit sie nicht auf dem kalten Laminat liegen müssen. Im Wohnzimmer stehen 2 Hundestühlchen (fernab von Couch), die gerne benützt werden, im Büro gibt es 2 Liegekissen, in Küche 2 Miniteppiche und im Schlafzimmer 2 Kudde, aber meist liegen sie unmittelbar neben mir direkt zu meinen Füssen, einer links und einer rechts davon. Vorallem der Platz zwischen meinen Füssen ist begehrt.

Beide Hunde fordern ab und zu Streicheleinheiten ein. Pablo, indem er seine Vorderpfötchen auf meine Knie stellt. Gary macht Männchen meist in ein Meter Entfernung und schaut mich dabei an. Wenn das Verhalten in dem Moment für mich unerwünscht ist, brauche ich nur kurz mit dem Knie zu wackeln oder den Hund mit 2 Fingern anzutippen oder Gary eben einfach nicht zu beachten, dann trollen sie sich. Wobei Pablo i.d.R. schneller als ich reagieren kann, schon von Gary geschubst und aus dem Gleichgewicht gebracht wird, so dass er wieder normal auf dem Boden steht. Der wird da klar von Gary gemassregelt.

Beide Hunde beherrschen neben Grundkommandos auch viele andere Kommandos und hören - zumindest was die Grundkommandos angeht - auch unter Ablenkung. Wenn Pablo Angst vor etwas hat oder die beiden schon mitten im Streit sind, sind sie allerdings kaum mehr ansprechbar. Da muss ich einfach schneller sein und sie abrufen oder umlenken, bevor es soweit kommt. Beide sind für Pekingesen richtige Streber (habe seit über 30 Jahren diese Rasse, allerdings immer nur einen und nie vorher 2 Hunde) und sind bei Übungen manchmal übereifrig, so dass sie auch mal was durcheinander bringen. Im Grunde genommen sind beide liebeswerte Chaoten, die mir den ganzen Tag hinter her tappen und bei mir sein wollen. Das ist für mich aber auch okay, ich lebe ja mit den Hunden und will dementsprechend, dass sie immer in meiner Nähe sind. Das heisst, wenn ich in der Küche bin, sind meine Hunde auch mit in der Küche, abends sind sie mit im Wohnzimmer und bin ich im Büro arbeiten, sind sie auch mit. Weil sie tagsüber auch oft mitten im Weg rumliegen, ist eines unserer wichtigsten Kommandos "weg" oder "Decke".

Mit bestem Gruß
AngelikaW

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Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Angelika,

das hört sich doch schon mal super an.
Zuerst dachte ich, dass ich da so aus der Entfernung nicht weiter weiß, weil offensichtlich alles, so wie ich es von hier aus beurteilen kann, richtig gemacht wird.
Was mich aber dann doch etwas gestört hat, ist dieses Verfolgen überallhin. Da kann es sich evtl. um einen Kontrollzwang handeln. Was machen die Hunde, wenn Sie einfach mal die Tür hinter sich schließen?

Liebe Grüße
Ellen Mayer
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AngelikaW | Fragesteller/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Ellen,

oh - da sprechen Sie das richtige an. Anfangs haben beide gewinselt und gefiept, weil ihnen das gar nicht gepasst hat. Aber seit ich angefangen habe, die beiden bei Streit sofort auszuquartieren, wird es besser. Meist (aber noch nicht immer) verhalten sich heute beide ruhig, wenn ich die Tür hinter ihnen schließe. Aber begeistert sind sie natürlich nicht.

(Streit gibt es eigentlich nur abends, wenn wir im Wohnzimmer sind. Vielleicht weil ich für sie "erreichbarer" auf der niedrigen Couch sitze(?), dann kommt einer in die Küche, der andere in Korridor und die Wohnzimmertür wird geschlossen. Beide können sich aber sehen, weil zwischen Küche und Korridor ein Babyabsperrgitter ist. "Im Strafraum" bleiben sie dann mindestens eine halbe Stunde und ich lasse sie auch nur wieder mit ins Wohnzimmer, wenn es mucksmäuschenstill ist.)
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AngelikaW | Fragesteller/in
schrieb am 04.02.2015
Nachtrag: Sie könnnten Recht haben mit dem Kontrollzwang! Mein Wohnzimmer hat 2 Türen, einen in den Korridor und eine in die Küche. Ich habe mir vor längerem mal den Spaß gemacht und bin bestimmt eine Stunde lang von Korridor zu Wohnzimmer und zurück, wobei ich immer die Tür hinter mir schloss, die Tür zur Küche aber geöffnet war. Die Jungs haben beide versucht, mich "zu fangen" und den "Weg abzuschneiden", sind in einem Affentempo den Weg in die Küche gerannt und wieder zurück ins Wohnzimmer bis zur Türe in den Korridor. Ich war natürlich immer schneller, weil ich den kürzeren Weg hatte. Irgendwann haben sie sich dann aufgeteilt und einer hat die Küche bewacht, der andere die Tür Richtung Korridor. Aber eigentlich waren sie zu diesem Zeitpunkt schon k.o., deshalb habe ich das Ganze dann abgebrochen...
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Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Angelika,

das kann aber auch nur ein spannendes Spiel für die beiden gewesen sein:-)
Ich würde eine Zeitlang einfach nicht mehr dulden, dass sie hinterherrennen. Nur um ihnen zu zeigen, dass Sie sich nicht kontrollieren lassen.
Der Situation abends im Wohnzimmer gehen Sie am besten nicht mehr aus dem Weg, indem Sie die beiden wegsperren. In dem Moment haben Sie nämlich keine Kontrolle mehr und bestrafen die Hunde. Bestrafung sollte aber nicht sein, weil Hunde nie etwas bösartigerweise machen sondern, weil sie es so gelernt haben.
Lassen Sie doch abends die Hunde jeweils an ihrem festen Platz (Körbchen,Decke,Sessel) liegen und rufen sie abwechselnd zu sich. Dadurch zeigen Sie den Hunden, dass SIE die Kontrolle haben und streicheln können, wen Sie wollen. Wenn Sie sie nach jedem Steit wegsperren, haben die Hunde agiert und Sie haben reagiert auf deren Verhalten. Es sollte aber immer umgekehrt sein.
Versuchen Sie es einfach mal und schauen, was passiert. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.

Viel Erfolg..
Ellen Mayer
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AngelikaW | Fragesteller/in
schrieb am 04.02.2015
Hallo Ellen,

vielen lieben Dank für Ihre Tipps. Nicht mehr zu dulden, dass mir die Hunde hinterher rennen, sollte leicht für mich umsetzbar sein. Einen festen Platz im Wohnzimmer zuweisen, sollte ich auch hinbekommen. Abwechselnd herrufen wird schwieriger, da sie in der Wohnung meist beide kommen, wenn ich einen rufe. Doch nun weiß ich, woran ich arbeiten kann. Das bringt mich sehr viel weiter.

Meinen besten Dank für Ihre Mühen!

Feedback gerne in ein paar Wochen. Wenn es klappt, bekommen Sie den 5. Stern :-)

Bis dorthin liebe Grüße und nochmals ein herzliches Dankeschön!
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