Plötzliche Beißerei unter Hündinnen

Aggressivität ❯ Gegenüber anderen Hunden
masuli91 schrieb am 11.11.2020
Hallo,

meine Frage wird etwas komplexer. Ich bemühe mich, Ihnen so viel Hinweise zugeben wie möglich.

Ich habe 2 Hündinnen: Meine erste Hündin Lilly (Fox Terrier-Schäferhund Mix) lebt seit 7,75 Jahren bei mir und meinen Partner mit 12 Wochen haben wir sie zu uns geholt. Sie ist an sich ein sehr ausgeglichener Hund, verschmust und gehorsam ist bei ihr auch kein Problem. Vor 2 Jahren haben wir uns entschlossen einen zweit Hund zu holen, Ayla. Auch eine Hündin (Milchling, was genau konnte uns das Tierheim nicht sagen, aber vermutlich in die Richtung Malinois - Kangal, kommt ursprünglich aus Rumänien), die jetzt 2,5 Jahre ist und seit 2 Jahren bei uns lebt. Mit der Gehorsamkeit hat sie es nicht so aufgrund ihres Dickschädels, Grundkommandos sind aber kein Problem, braucht sehr lange um sich an fremde Personen, wie Freunde oder Bekannte zu gewöhnen, möchte des Öfteren ihren Dickschädel durchzusetzen, Aktivität ist bei ihr sehr ausgewogen. Beide sind nicht kastriert.

Die Verträglichkeit beider wurde vor dem Zuzug mehrfach im Tierheim positiv getestet. Am ersten Tag lief alles super am 2ten tag hat meine ältere Hündin sie das erste mal zurecht gewiesen, seit dem waren es 2 Jahre voller Harmonie. Die jüngere ist im allgemein ein sehr ängstlicher Hund und hat bei jeder für sie neuen Situation immer ganz genau erst das Verhalten unserer älteren Hündin beobachtet. In der gesamten Zeit waren sie 3 mal läufig und auch da hat alles funktioniert. Jetzt am Sonntag sind beide (eher die ältere) auf einander los gegangen, auch im Nachhinein für mich immer noch ohne ersichtlichen Grund.

Die Situation war wie folgt: Am Sonntag lief bis ca. 15 Uhr alles normal. Beide waren (beginnend mit der jüngsten) um eine Woche versetzt läufig. Diese Woche hatte die ältere ihre heiße Phase und wollte immer die jüngere besteigen, die das mit sich machen lässt (das Besteigen versuche ich weitestgehend zu unterbinden). Da ich es ja unterbinden möchte, habe ich (als es mal wieder so weit war) wie üblich den Po der älteren beiseite geschoben, wie sonst auch, bloß ging sie genau in dem Moment grundlos auf die jüngere los.

Diese, die versucht so einem Streit im Normalfall aus dem Weg zu gehen, hat diesmal allerdings Kontra gegeben, so das wir beide trennen mussten. Die Ältere hatte sich ziemlich doll im Hals der Jüngeren verbissen, allerdings ohne das einer von beiden Wunden oder Blessuren davon getragen hat. So haben wir die Hunde erstmal räumlich getrennt.

Nach einer Stunde haben wir sie wieder zusammengeführt. Es wurde sich vorsichtig beschnuppert und jeder ging wieder seiner Wege, dies hielt allerdings nur 5 Minuten an.

Als mir die Jüngere im Weg stand wollte ich über sie drüber steigen (was sonst auch nie ein Drama ist weil sie regelmäßig im Weg steht) und genau in dem Moment ging die Ältere wieder auf die Jünger drauf los, diese hat diesmal wieder Kontra gegeben, was für sie untypisch ist. Na gut, also beide wieder räumlich getrennt. Nach einer weiteren Stunde wollte ich wieder den Versuch der Zusammenführung starten, beide schauten sich etwa 5 Sekunden an und dann fing das Geknurre und Gebelle wieder an, allerdings hatte ich mich diesmal so gestellt das sie nicht aufeinander los konnten. An dem Tag erschien es sinnlos es nochmal zu versuchen, also blieb die ganze Nacht die räumliche Trennung. Und ab jetzt haben wir sicherlich einiges verkehrt gemacht:

Beide Hunde dürfen auf die Couch und beide Hunde schlafen mit bei uns im Bett (je nach dem wechseln sie nachts auf ihr Hundebett oder gehen in einen anderen Raum). Da ich keinen der Hunde bevorzugen oder benachteiligen wollte, durfte keiner von beiden mit ins Schlafzimmer über Nacht, ist jeder in ein separates Zimmer gekommen (die Nacht war für uns alle wahrscheinlich schlaflos und hart).

An dem Abend habe ich mich mit einer Freundin in Verbindung gesetzt, die in einer Hundeschule als Trainerin fungiert und habe sie um Rat gefragt, bloß habe ich dort alles gehört, aber nicht das, was ich wollte. So erzählte sie mir das 2 Weibchen eine schlechte Wahl waren und es in 90% der Fälle schief geht, wenn beide nicht kastriert sind, für sie war es ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Hormone der Auslöser sind und eine Kastration zu empfehlen wäre. Weiter hat sie gesagt, dass Hündinnen sehr aufs Ganze gehen bei einer Beißerei, hier wird wohl erst aufgehört, wenn ein Hund tot ist.

Ich Dummkopf habe natürlich auch noch danach gegoogelt und wusste nicht mehr wo mir der Kopf stand. Von "Die bringen sich um" bis hin zu "Es muss einer abgegeben werden" war alles dabei, auch das, wenn sich 2 Hündinnen fetzen, sie sich nie wieder vertragen.

Am Montag war ich mit beiden Hunden getrennt draußen, erst die Jüngere, dann die Älterer, beide immer noch räumlich getrennt. Allerdings habe ich unsere ältere Hündin rein getragen, da bei uns nach dem Hauseingang gleich das Wohnzimmer kommt und dort unsere jüngere wartete und in dem Moment, wo ich die ältere rein getragen hatte, wurden Blicke ausgetauscht und diesmal fing die Jüngere an mit knurren (es war nur ganz kurz bis ich "Stop" gesagt habe).

Bevor ich zur Arbeit bin habe ich beide wieder räumlich getrennt. Auf Arbeit angekommen habe ich dann sofort unsere Tierärztin angerufen (beide Hunde sind kerngesund) und auf die Kastration angesprochen und das Problem erzählt. Sie riet mir ab, eine Kastration als Allheilmittel zu sehen, sollte dies aber doch zur Debatte stehen, solle man beide Hunde kastrieren (egal wie sich die Lage jetzt entwickelt, wir haben uns fest entschlossen das dieser Schritt, schon alleine auf die Zukunft gesehen, kommen wird).

Sie war die Erste, die mir wieder Hoffnung gab. Sie meinte sie gehe davon aus, dass sich beide wieder vertragen, da es ja vorher auch 2 Jahre problemlos geklappt hat. Sie geht von einen Rangkampf aus, da die jüngere nun erwachsen wird, laut ihrer Aussage gehe es wohl hier nicht um die Hormone, da so etwas sonst schon eher passiert wäre. Wir als Mensch dürfen allerdings nicht in die Rangordnung unter Hunden einschreiten, da dies noch mehr Unruhe in den schon bestehenden Streit rein bringt. Ihr Tipp: Beide sollen Maulkörbe bekommen, wir sollen mit beiden spazieren gehen und gemeinsam Heim kehren und viel Geduld mitbringen. Die Lage sei aber nicht aussichtslos.

Gesagt getan, nach Arbeit los gehechtet und für beide einen Maulkorb geholt (kannten vorher beide nicht). Zusammen Heim gekehrt, beide wieder räumlich getrennt und so gut es ging versucht beiden gerecht zu werden, um jedem genug Aufmerksamkeit zu geben. Die Nacht wieder alle räumlich getrennt von einander verbracht (die Nächte werden für mich immer schlimmer). Früh (Dienstag) aufgestanden, beide freuen sich immer wenn ich zu ihnen komme, beide sind einzeln unauffällig so wie immer, wollen aber immer schauen wo der jeweils andere ist, hören auf jedes Geräusch, die Aufmerksamkeit ist auf jeden fall erhöht. Allerdings nicht so doll, nebenbei kuscheln und spielen geht noch. Fressen und trinken auch bei beiden normal.

Auf Arbeit nochmal meine Freundin kontaktiert, ihr erzählt was die Tierärztin sagte. Die Sache mit den Maulkorb hat sie unterstützt. Für Dienstagabend stand nun an, die Hunde mit Maulkorb wieder zusammen zu führen. Nach dem jeder begrüßt wurde (immer noch räumlich getrennt), ging es raus, so dass sich jeder erstmal erleichtern konnte. Danach habe ich der Älteren den Maulkorb um gemacht und mein Partner ist mit ihr aufs Grundstück gegangen, in der Zwischenzeit habe ich der Jüngeren den Maulkorb umgemacht und bin dann ebenfalls mit ihr raus (alles ohne Leine). Nachdem sich beide gesehen haben, hatte ich für 10 Sekunden Hoffnung, denn solange haben sich sich gefreut (schwanzwedelnd begrüßt und beschnuppert) sich zu sehen, bis sie wieder aneinander geraten sind, bloß brauchte ich diesmal keine Angst haben, dass sie sich beißen können.

Diesmal sind wir auch nicht eingeschritten, was von mir wahrscheinlich der erste Fehler als Rudelführer war. So haben wir in der Zeit allerdings ganz genau beobachtet. Jetzt im Nachhinein, wenn ich über die Sache schreibe, fallen mir viele Sachen auf. Als es anfing haben beide geknurrt (die Ältere fing damit an) und versucht sich zu beißen. Dies wurde ja aber durch die Maulkörbe verhindert. Danach ist es eher eine 2 Pfoten Auseinandersetzung geworden, wo die Jüngere etwas an Fell verloren hat, was allerdings nicht redenswert ist. Die Ältere hat stetig versucht sich über die Jüngere zu positionieren und war immer mit mindestens einer Pfote auf dem Rücken der Jüngeren, selbst in Situationen, wo nicht geknurrt wurde.

Sobald die Jüngere sich bewegen wollte, ging unsere Ältere wieder aufs Ganze, mit dem Gesicht knurrend immer ganz nah an den Hals, Ohr, Gesicht der Jüngeren. Einen Moment lang sah es so aus, als ob sich die Jüngere unterwerfen will, die kam aber nach ca. 1ner Minute geduckter Position wieder hoch und beide standen auf den Hinterpfoten mit den Vorderpfoten aneinander angelehnt, danach griff die Ältere wieder an, von da an hat sich die Jüngere immer versucht mit den Kopf weg zu drehen oder die Situation zu verlassen, bloß lies die Ältere das nicht zu.

In dem ganzen Zeitraum haben wir auf Rat der Tierärztin nicht eingegriffen, nun habe ich aber gelesen, dass ich als Rudelführer es gar nicht erst hätte zu so einer Situation kommen lassen dürfen. Dies ist mir bewusst geworden, nachdem es wieder ruhiger geworden war und die Jüngere sich permanent an meine Beine gestellt hat, teilweise eng hinter mich oder zwischen meinen Beinen, ohne dass sie wieder vorkommen wollte. Die Ältere hat immer den Blick gewechselt: Einmal die Jüngere nicht aus den Augen lassend und mich stolz anschauend.

An dem Abend sind wir dann noch mit beiden durch den Garten gelaufen, beide uns hinterher. Als die Ältere im Gras etwas beschnüffelt hat, ist die die Jüngere (die schon von Anfang an immer das Verhalten der Älteren beobachtet hat) auch hingegangen (normal, als hätte es nie Streit gegeben). Als sie ebenfalls anfing an der Stelle zu schnuppern, hat die Ältere sofort ihren Kopf gehoben, den Blick genau auf die Jüngere, diese wollte den Versuch starten, die Ältere zu beschnüffeln, hat es aber aufgrund der Anspannung gelassen.

Um die Lage nicht eskalieren zu lassen, sind mein Partner und ich weg gegangen (scheiß Gefühl, in so einer Situation dem Hunden den Rücken zu kehren), aber es hat funktioniert. Nachdem unsere Ältere gesehen hat, dass wir weggegangen sind, kam sie sofort hinterher und etwas später auch die Jüngere. Danach sind wir wieder ins Haus. Erst ich, dann mein Partner, dann die Ältere und die Jüngere ist erst rein gekommen, nachdem mein Partner sie draußen abholen musste. Im Haus haben wir beide noch etwa 10 Minuten mit Maulkorb gelassen (wir lassen keinen mehr auf die Couch, damit sich in der ungewissen Situation keiner mehr höher positionieren kann, ob das so richtig ist weis ich nicht). Im Haus wurde in den 10 Minuten jeder Schritt der Jüngeren von der Älteren beobachtet, es war auch mal etwas unter einer Minute drin, dass mein Partner beide gleichzeitig kraulen konnte, bis die Ältere wieder einen versteiften Blick der Jüngeren gegenüber hatte und wieder langsam näher an ihren Nacken wollte. Danach haben wir beide Hunde wieder räumlich getrennt.

Wir haben jetzt vor, jeden Tag die Maulkörbe dran zu machen und mit ihnen raus zu gehen, bis wir irgendwann sehen, dass es entspannter wird (ich hoffe der Zeitpunkt kommt auch irgendwann, nicht dass die sich doch nicht mehr vertragen). Wenn es entspannter werden sollte, wollen wir unser Grundstück in Form von Zaun abteilen so das sie sich sehen können und beschnuppern können, aber eine Barriere dazwischen ist und sie nicht aufeinander los können, dies soll dann ohne Maulkorb stattfinden.

Je nach Situation wollen wir auch versuchen, das ,für den Anfang mit Maulkorb, auch wieder gemeinsames Gassi gehen drin ist. Aber so wie es die ganze Zeit war, dass ich sie zusammen lassen kann, wenn niemand zuhause ist, so wird es wohl nie wieder.

Die Kastrationen sind im Januar/Februar angedacht. Ab heute Abend (Mittwoch) haben wir vor, jeden Hund abwechselnd nachts mit ins Schlafzimmer zu nehmen.

Meine Frage:

Wo waren die Fehler bei mir? Darf ich bei einer Rangordnung wirklich als Mensch nichts machen? Sind jetzt die Hormone dran schuld, kann es sein das die Jüngere (da sie aus Rumänien kommt) nie gelernt hat, wie man sich unterordnet und die Ältere darauf wartet und dass nie ein Ende nimmt?

Ist mein Fahrplan, wie ich es vorhabe, so ok und können sie mir weitere Tipps geben?

Ich will nicht, dass einer von beiden stirbt und dass einer weggegeben wird ist für mich keine Option. Wenn ich beide abwechselnd durchs Haus laufen lasse, sucht die Jüngere im ganzen Haus nach der Älteren, legt sich vor das Zimmer, in dem die Ältere drin ist oder steht fiepend vor der Tür.

Die Ältere hingegen schaut auch durchs ganze Haus, schnüffelt allerdings ganz genau, wo die Jüngere war. Komme ich mit der Älteren von draußen rein, geht sie langsam rein, um zu schauen, ob die Jüngere irgendwo ist. Wenn beide in ihren Zimmern sind, fiepen beide die ersten 5 Minuten.

Vielen Dank S. Zehrfeld.
1 Antwort
Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 22.11.2020
Hallo S. Zehrfeld,
beide, Tierärztin und Ihre Freundin, haben Recht.
Zwei Hündinnen zusammen bedeutet oft mehr Streit als zwei Rüden oder Hündin und Rüde. Und ja, bei Hündinnen kann es passieren, dass eine die andere tot beißt.
Bei Ihren beiden gehe ich aber, entgegen der Meinung der Tierärztin davon aus, dass der Streit mit der Läufigkeit zusammen hängt. Dass es jetzt erst passiert ist kann daran liegen, dass die jüngere Hündin jetzt erwachsen und selbstbewusster geworden ist.
Ob eine Kastration hier hilft kann ich nicht sagen. Zwei meiner kastrierten Hündinnen sind einmal schwer aneinander geraten obwohl sie sich immer vertragen haben. Auch danach ist nie wieder was passiert.
Allerdings ist es, meiner Meinung nach, falsch den Hunden ihre Rangkämpfe zu überlassen. Ich rede hier nicht von kleinen Rangeleien sondern, wie bei Ihren Hunden, von richtigen Kämpfen.
Sie bemühen sich sehr, keinen der Hunde zu benachteiligen. Das ist, denke ich, ein Fehler. Als "Rudelführer" steht es Ihnen zu, z. B. nur einen Hund aufs Sofa zu lassen wenn Ihnen danach ist. Oder nur einen Hund zu streicheln. Allerdings sollten Sie sich NIE zu etwas von den Hunden auffordern lassen. SIE bestimmen, NIE die Hunde.

Liebe Grüße
Ellen Mayer
www.lesloups.de
War diese Antwort hilfreich?