Gismo bellt Mensch und Tier an

Aggressivität
karinkoehrl schrieb am 16.06.2015
Wir haben unseren Spitzmischling vor einer Woche aus dem Tierschutzhaus geholt. Das Problem ist, dass er alle anbellt, zeitweise nicht zur Räson gebracht werden kann.Laut Tierschutzhaus hatte er bei den Vorbesitzern keinerlei Sozialkontakte weder zu Mensch noch zu anderen Hunden, und wurde deswegen als unangepasst und schwierig abgegeben.
Das grösste Problem ist aber leider das Unverständnis, selbst von Hundehaltern. Gismo ist ca 3 Jahre alt, lernmässig aber noch weit zurück. Ich denke, dass er nicht richtig aggressiv ist, sondern dass viel Unsicherheit dahintersteckt. Obwohl Gismo nicht mein erster Tierschutzhaushund ist, stehe ich vor einer ganzen Palette an Aufgaben, wobei Leinenführigkeit und mangelnder Gehorsam die "kleineren" Probleme sind.
Ich hoffe auf Tipps, wie wir die vielen Aufgaben ohne Überforderung von Gismo schaffen können.
PS: ich musste Bayern angeben, weil hier kein österreichisches Bundesland angeführt ist.
3 Antworten
Janna Krebs | Hundetrainer/in
schrieb am 17.06.2015
Hallo,

so wie Sie die Situation beschreiben, handelt es sich um angstbedingte Aggression. D.h. Gismo möchte die vermeintliche "Bedrohung" vertreiben und verbellt daher alle Personen und Tiere, vor denen er sich fürchtet.
Wenn er keinerlei Sozialkontakte hatte, so hat er natürlich auch nicht viel Positives im Hinblick auf Menschen und Tiere kennengelernt. Und genau darin liegt ein wesentlicher Schlüssel für Ihr Training mit ihm!
Gismo sollte Menschen und Tiere mit etwas Positivem verknüpfen. Wenn nun also ein Mensch etc. auftaucht, sollten Sie ihn sehr hochwertig belohnen - mit etwas, das er wirklich liebt! Da er vermutlich in seinem Leben noch nicht viel gespielt hat, werden Sie sich anfangs auf - wirklich tolle - Leckerli konzentrieren müssen. Das könnte die Leberwursttube sein, kleine Stückchen Wienerle, Käse etc. Gismo soll lernen: Wenn ein Mensch etc. auftaucht, passiert etwas Tolles - und zwar bei meiner Besitzerin. Auf diese Weise wird er sich nach und nach zu Ihnen umorientieren, wenn er eine Person erblickt. Er lernt, dass Menschen gar nicht so schlimm und gefährlich für ihn sind, wie er zunächst dachte.
Parallel dazu würde ich mit ihm ein Entspannungstraining aufbauen. So kann man z.B. ein Entspannungssignal trainieren (z.B. "Ruuuuhe!"), das Sie immer dann sagen, wenn er bereits entspannt ist. Dazu können Sie ihn mit langen, langsamen Bewegungen streicheln. Gismo wird das Wort im Laufe der Zeit mit Entspannung verbinden, so dass Sie es auch in Situationen sagen können, die schon etwas angespannter sind. Er wird dann innehalten und für Sie wieder ansprechbar sein, so dass Sie ihn dann z.B. zu sich rufen können. Zusätzlich können Sie mit Düften (z.B. Lavendel oder Jasmin, verdünnt) und klassischer Musik arbeiten. Ein Entspannungstraining ist sehr vielfältig - lassen Sie sich am besten von einem professionellen Hundetrainer vor Ort beraten.
Ich möchte Sie keinesfalls entmutigen, aber bitte planen Sie viel Zeit und Geduld für Ihr Training mit Gismo ein. Er muss erst Vertrauen zu Ihnen und zur Spezies "Mensch" allgemein aufbauen - und das geht leider nicht so schnell.

Herzliche Grüße,
Janna Krebs
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karinköhrl
schrieb am 18.06.2015
Liebe Janna,

danke für die Tipps. Wir werden die Leberwursttube beibehalten, weil es das Einzige ist, das er nimmt. Diverse andere Leckerlis ignoriert er, oder gräbt sie ein. Vielmehr habe ich bemerkt, dass ihm Lob viel mehr bedeutet, da haben wir schon Erfolge.
Dass es nicht leicht sein wird haben wir schon im Tierschutzhaus gesehen.
Nachdem wir unsere Daisy im Dezember wegen Leberkrebs gehen lassen mussten, war es sowieso geplant, erst jetzt in Kombination mit unserem Sommerurlaub einen Hund aufzunehmen, also sind wir nicht in Zeitdruck.(bei Daisy hat es ein halbes Jahr gedauert, ihre Angstreaktion war aber Rückenlage und gleichzeitig "Angstlackerl")
Die Dufttherapie ist auch kein Problem, ich habe als Krankenschwester eine Aromatherapieausbildung ( daran hab ich eigentlich nicht gedacht, bzw. mit Tieren keine Erfahrung).
Einen Hundetrainer haben wir schon in Erwägung gezogen, es sollte aber auf Anraten des Tierschutzhauses nicht direkt in der Eingewöhnungsphase sein.

Nochmals Dankeschön und liebe Grüße

Karin Köhrl und Gismo
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Janna Krebs | Hundetrainer/in
schrieb am 18.06.2015
Liebe Karin,

dass Sie eine Aromatherapieausbildung haben, ist ja ganz wunderbar!
Es wird bei Hunden empfohlen, die ätherischen Öle im Verhältnis 1:10 (z.B. 1 Tropfen "Lavendel fein" auf 10 Tropfen Mandelöl) zu verdünnen und auf ein blaues Tuch zu geben. Hunde sehen die Farbe Blau besonders gut. Wenn Gismo entspannt ist, legen Sie ihm probehalber mal das Tuch in seine Nähe. Sollte er extremes Meideverhalten zeigen, mag er evtl. Lavendel nicht. Aber die meisten Hunde finden es ganz ok. - andernfalls können Sie es mit Jasminöl versuchen.
Auf diese Weise wird das blaue, duftende Tuch zu einem Entspannungssignal für Ihren Hund.

Es freut mich, dass Sie das Training mit Gismo so ruhig und geduldig angehen. Genau das ist der richtige Weg! Und natürlich sollte auch ein Hundetrainer (also schon wieder eine fremde Person für Gismo) nicht sofort in den ersten Tagen bei Ihnen zu Hause auftauchen. Gismo sollte sich zuerst einmal bei Ihnen sicher und geborgen fühlen können.

Ich drücke Ihnen ganz fest die Daumen für die nächste herausfordernde Zeit!
Herzliche Grüße,
Janna Krebs
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