Richtige erste Schritte mit einem Angsthund ?

Angst ❯ Vor Menschen
Lia S. schrieb am 05.06.2023
Ich habe seit 2 Tagen eine ca. 3jährige kastrierte Mischlingshündin (könnte ein Spaniel- oder kleiner Hütehundmix sein) bei mir aufgenommen - direkt aus dem Transport von Rumänien. Natürlich ist mir bewusst, dass alles mit ihr nun sehr langsam und geduldig gehen muss, aber in einem Punkt möchte ich gerne von Beginn an möglichst Fehler vermeiden und suche dafür Rat. Natürlich hat sie auch zu mir noch kein richtiges Vertrauen - aber raus muss sie ja trotzdem. Leider ist sie aber richtig katatonisch. Das Zimmer in dem ich die Box abgestellt habe, hat sie bisher nicht 1x verlassen. Nach fast 20 Stunden habe ich sie dann einfach mal auf den Arm genommen und die Treppe runter nach draußen getragen - dabei ist sie ganz steif geworden und hat auch ein bisschen gezittert, draußen hat sie sich leider auch nicht wirklich entspannt und sich dadurch natürlich auch nicht gelöst - dafür hat sie so lange gewartet, wie vermutlich nur irgendwie möglich und dann als ich geschlafen habe, die ausgebreiteten Wickelunterlagen dafür genutzt. Nun meine Frage: Ich kann ja mit dem Rausgehen schlecht einfach warten, bis sie mir tatsächlich etwas mehr vertraut, gleichzeitig wird der Bindungsaufbau aber auch eher durch dieses sehr stressbehaftete Raustragen, das sie definitiv nicht will, erschwert. Wenn sie wirklich alle Anzeichen sendet, dass sie das nicht will und sie trotzdem immer wieder einfach nehme und raus (und auch wieder rein) trage, besteht dann nicht die Gefahr, dass sie irgendwann zur letzten, ihr verfügbaren Abwehrreaktion greift und beißt? Bisher zeigt sie sich ganz und gar nicht aggressiv, eher extrem eingeschüchtert, sie knurrt auch nicht, sie gibt eigentlich gar keinen Laut von sich, aber ich will sie ja natürlich auch nicht dazu bringen ;) Ich hatte überlegt, ob ich vorerst versuchen sollte, in der Wohnung mit ihr an der Leine mal in die anderen Zimmer zu gehen, damit sie merkt, beim Mitlaufen passiert ihr gar nichts Schlimmes. Eine andere Überlegung war, sie in den Transportkorb zu bringen und diesen dann runterzutragen, sodass sie zumindest nicht diese für sie noch sehr unangenehme körperliche Nähe ertragen muss -?
3 Antworten
Hallo Lia,

das Verhalten, das Sie bei Ihrem Hund gerade beobachten, ist leider nicht selten bei Hunden zu sehen, die aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden.

Ihre Hündin zeigt, wie Sie beschreiben, eine extrem starke Ausprägung der Angst / Furcht. Die Situation Ihrer Hündin dürfte somit mit hoher Wahrscheinlichkeit als Leiden im Sinne des Tierschutzgesetzes einzustufen sein. Ich kann Ihnen daher nur sehr (!!!) dringend raten, so zeitnah wie möglich einen verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt zu konsultieren, der nicht nur die erforderlichen Managementmaßnahmen und Trainingsschritte sondern auch den Einsatz von angstlösenden Medikamenten mit Ihnen bespricht.

Ansprechpartner bei Ihnen vor Ort kann ich Ihnen gerne heraussuchen. Bitte teilen Sie mir dazu mit, woher Sie kommen.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
www.mensch-und-tier.net
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Lia S. | Fragesteller/in
schrieb am 07.06.2023
Herzlichen Dank für Ihre Antwort - ich habe tatsächlich noch am selben Tag eine Hundetrainerin und -therapeutin kontaktiert, die sich tatsächlich an ihrem eigentlich freien Tag direkt Zeit für uns genommen hat :) Mit dieser werde ich nun zusammen arbeiten. Eine Rückmeldung, die ich aber gerne ins Forum geben möchte: Man liest sehr häufig den Ratschlag, dass man unsichere Hunde nicht in ihrer Angst lassen soll, sondern geduldig aber souverän neue Erfahrungen machen lassen soll - das ist grundsätzlich ja auch sicher richtig. WENN Sie allerdings einen Hund bekommen haben, der derart voller Angst ist, scheint weniger einfach mehr zu sein. Neben anderen Kleinigkeiten für die hier kein Platz ist, habe ich ihr vor allem Ruhe gelassen - und wurde heute Morgen dafür immerhin mit dem ersten Schwanzwedeln begrüßt
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Hallo Lia,

der Ansatz, den Sie beschreiben, können Sie durchaus als Ratschlag an alle Hundehalter weitergeben - nicht nur Hundehalter mit extremen "Angsthunden", sondern generell alle Hundehalter mit auch nur kleinen Problemen aus dem Bereich Angst / Furcht.

Mit viel Ruhe und Geduld ist es in vielen Fällen möglich, dass Hunde eine so genannte "Gewöhnung" (Habituation) durchlaufen und lernen, mit ehemals angstauslösenden bzw. furchtauslösenden Reize deutlich entspannter umzugehen oder sogar gar nicht mehr darauf zu reagieren.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Hundedame viel Erfolg und viel Ruhe und Geduld!

Viele Grüße,
Stefanie Ott
www.mensch-und-tier.net
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