Hündin will nicht Gassi gehen (Stadt)

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Anna schrieb am 09.11.2013
Hallo,
seit rund 5 Wochen haben wir eine 6monatige Labradorhündin (Mischling). Sie kommt vom Dorf und hat daher auch überhaupt keine Erfahrungen mit dem Stadtleben. Nun ist es aber so, dass wir Mitten in der Großstadt wohnen und sie somit mehrmals täglich zum Gassi gehen raus/auf die Straße muss. Aber sie weigert sich total. Leckerlies, gut zureden, ignorieren und einfach losegehen etc. haben wir bereits aausprobiert, aber nichts funktioniert. Für eine Strecke von rund 100 m inkl. Treppenhaus benötigen wir eine gute Stunde. Sie stellt sich sturr, läuft nicht, hat Angst, fängt irgendwann an zu zittern und nur wenn wir Glück haben macht sie Draußen ihr Geschäft. Fahren wir aber mit dem Auto (das macht sie gerne) in den Wald, ist sie wie ausgewechselt. Sie ist lebhaft und glücklich.
Bei einer Hundeschule sind wir bereits. Der Hundetrainer sagt, wir sollen "hart" bleiben und sie zur Not entsprechend an der Leine hochhalten/ziehen, wenn sie nicht will. Allerdings haben wir das Gefühl, dass dadurch alles nur viel schlimmer wird. Anfangs konnten wir wenigstens eine Runde laufen, mittlerweile kommen wir nur 200 m bis zu einer Grünfläche und dann zerrt sie an der Leine und will zurück in die Wohnung.
Beim Tierarzt waren wir auch schon. Er hat uns Beruhigungstabletten gegeben, welche wir allerdings nocht nicht ausprobiert haben, da wir unseren Hund eigentlich nicht unter Drogen setzen wollen. Haben Sie einen Ratschlag für uns? Was können wir noch tun?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Hilfe.
7 Antworten
Hallo,

so wie es sich anhört, ist es sehr wahrscheinlich, dass Ihre Hündin Angst, ggf. sogar Panik vor Spaziergängen hat. Auf Grund der Vorgeschichte - sie scheint eine solch belebte Umgebung nicht von klein au zu kennen - verwundert es nicht, dass Ihre Hündin solch ein Problem hat.

Wenn Sie nun "hart" bleiben, werden Sie nicht erreichen, dass Ihre Hündin Spaziergänge irgendwann einmal als etwas Angenehmes kennen lernt. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass sie auch Sie als Bezugsperson mit etwas Unangenehmen verknüpft.

Ich rate Ihnen, vorerst alle problematischen Situationen, d.h. Situationen, in denen Ihre Hündin Angst hat, völlig zu vermeiden. Bitte fahren Sie also mit Ihrer Hündin vorerst für Spaziergänge in den Wald, d.h. an Orte, an denen Sie entspannt ist.

Weiterhin empfehle ich Ihnen, durchaus an den Spaziergängen in der Stadt zu arbeiten, so dass Ihre Hündin hier nach und nach ebenfalls entspannter wird. Dies sollten Sie jedoch unbedingt unter Anleitung eines verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarztes tun. Er/Sie wird in der Anfangsphase eventuell das Training mit Medikamenten unterstützen. Hier gibt es durchaus Medikamente, die dem Hund die Angst ein wenig nehmen, ohne dass er vollkommen weggetreten ist. In Begleitung mit einem strukturierten Training ist der Einsatz eines Medikaments dabei durchaus oft sinnvoll.

Bitte melden Sie sich, wenn ich Ihnen einen Ansprechpartner in Ihrer Umgebung nennen soll.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
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Anna | Fragesteller/in
schrieb am 11.11.2013
Hallo Frau Dr. Ott,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Es macht uns wirklich sehr traurig mit anzusehen, dass unsere Kleine solche Angst vor der Stadt hat und diese (noch) nicht als ihre neue Heimat anerkennt.
Wir werden Ihren Ratschlag befolgen und versuchen sie zunächst von allem angsteinflößendem fern halten, allerdings wird das nicht immer gelingen. Wir sind beide berufstätig und die Hündin kommt daher mit meinem Mann mit zur Arbeit (betreutes Wohnheim). Und da wir kein eigenes Auto haben, bleibt ihr der täglich Weg dorthin leider nicht erspart. Für die Wochenenden mieten wir uns ein Auto, so dass wir mit ihr in den Wald fahren können. Die Gassirunde beschränken wir aber auf das Minimalste. Wir haben leider keinen Garten und daher ist der Gang vor die Tür leider nicht vermeidbar.
Was halten Sie denn von Bachblüten? Wir haben gelesen, dass das bei ängstlichen Hunde gut sein soll. Der Tierarzt meinte jedoch nur, dass es nichts bringt und hat uns daher die Pillen mitgegeben... sehr hilfsbereit/engagiert kam der Herr leider nicht rüber.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns einen kompetenten Hundepsychologen/Trainer empfehlen könnten. Meinen Sie, wir sollen das mit der jetzigen Hundeschule erstmal lassen? Die Methode, welche uns der Hundetrainer zeigt, scheint ja nicht die richtige zu sein. Er ist der Meinung, dass die Hündin uns nicht als Rudelführer akzeptiert und daher auf sturr macht. Sie fühlt sich seiner Meinung nach als die Prinzessin, die das sagen hat. Aber wieso legt sie sich beim anleinen sofort auf den Rücken, hebt das Hinterbein und pinkelt sogar manchmal los? Ist das nicht ein klares Zeichen der Unterwürfigkeit? Wir sind wir völlig durcheinander und wissen mittlerweile auch nicht mehr was wir tun sollen.
Wir freuen uns auf Ihre Antwort.
Freundliche Grüße
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Hallo,

leider ist es tatsächlich manchmal schwer, alle die Situationen zu vermeiden, in denen ein Hund Angst hat. Hier gilt: je mehr Sie es schaffen, die Problemsituationen zu vermeiden, desto einfacher ist später die Therapie. Überdenken Sie einfach mögliche Problemsituationen und ob diese vermeidbar sind, setzen Sie sich dabei aber nicht zu sehr unter Druck (dieser Stress für Sie muss ebenfalls nicht sein ;-) ).

Bei der Therapie von Angstverhalten beim Hund gibt es verschiedene "Werkzeuge", so zum Beispiel das Vermeiden von Problemsituationen, gezieltes Training (dieses baut auf Desensibilisierung, Gegenkonditionierung und/oder Alternativverhalten auf), Veränderungen in der Ernährung oder der Anwendung von bspw. Pheromonen, alternativen Heilmethoden (Bachblüten, Homöopathie, Akupunktur, ...) oder Psychopharmaka. Die Auswahl der geeigneten Ansätze beruht auf der Problematik, dem betroffenen Tier, seinen Haltern und der Umwelt. Meine Erfahrung ist, dass sowohl Bachblüten wie auch Psychopharmaka in manchen Fällen sehr gut, in manchen Fällen wiederum nur schlecht helfen. Beides sollte stets als Zusatz zu einem verhaltenstherapeutischen Training eingesetzt werden.

Da ich Ihren Hundetrainer und seinen Trainingsansatz nicht kenne, kann ich Ihnen leider keine Empfehlung abgeben, ob ein weiterer Besuch der Hundeschule sinnvoll ist oder nicht. Das Heben des Beins und das Auf-den-Rücken-Rollen (vermutlich alles recht steif wirkend und mit zurückgelegten Ohren, zurückgezogenen Mundwinkeln und somit langer Maulspalte, glatter Stirn, Blickvermeidung und tief getragener Rute, ggf. mit Maulschlecken) deutet auf Unterwürfigkeit hin; dies haben Sie richtig erkannt. Auch der Harnabsatz ist hier kein Protestpinkeln, sondern sog. submissiver Harnabsatz und damit ein Zeichen der Demut.

Bitte verraten Sie mir doch, woher Sie kommen, dann suche ich Ihnen gerne einen verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt heraus.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
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Anna | Fragesteller/in
schrieb am 13.11.2013
Hallo Frau Dr. Ott,
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre ausführliche Antwort.
Wir wohnen in Stuttgart. Wenn Sie hier einen verhaltentherapeutisch tätigen Tierarzt empfehlen könnten, wäre das super. Herzlichen Dank im Voraus!
Viele Grüße
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Hallo,

in Ihrer Nähe können Sie sich wenden an:
Dr. Ines Bettina Schäfer
Sibyllastr. 9
76275 Ettlingen
07243-7669661

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Hündin für die Zukunft alles Gute! Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Viele Grüße,
Stefanie Ott
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Anna | Fragesteller/in
schrieb am 14.11.2013
Vielen Dank!
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*bitte vorerst schließen*
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