Unterschiedliche Erziehungsmethoden

Welpenerziehung
Mia3 schrieb am 02.12.2020
Hallo,

ich habe einen 14 Wochen alten Australian Shepherd Welpen (Mädchen). Die Kleine entstammt einem Wurf meines Freundes, der selbst drei Hunde hat. Sie ist die ersten Wochen also bei ihm in einem kleinen Rudel groß geworden.

Da ich noch keine Erfahrung mit Welpen habe, habe ich mich in Sachen Erziehung zunächst an meinem Freund orientiert, aber zunehmend gehen unsere Meinungen auseinander. Er erzieht sehr nach "alter Schule", d.h. mit Schnauze in Urin drücken oder bei Ungehorsam auch schon einmal einen Klaps geben.

Durch zunehmendes Einlesen und Kommunikation mit anderen Hundehaltern, vertraue ich meinem Freund in Sachen Erziehung immer weniger und lehne seine Methoden ab. Er begründet viel mit natürlicher Rangordnung und im Rudel würden sie auch durch Schnappen maßregeln. Ich KANN und will das aber nicht.

Mittlerweile nehme ich die Kleine deshalb immer öfter mit zu mir, um sie zu "schützen" bzw. um in dieser prägenden Phase nichts "kaputt" zu machen, obwohl sie, weil ich arbeiten muss, bei mir dann weniger Auslauf bekommt. Konsequenz dieser ganzen Situation ist, dass sie bei ihm "spurt" und bei mir voll ihre Grenzen austestet (was ich oft als provokant erlebe).

Ein Beispiel: Wenn sie draußen ist und ich sie rufe, schaut sie mich an und reagiert dann aber gar nicht oder mit weglaufen. Wenn ich dann losgehe, um sie zu holen, legt sie sich meistens einfach hin, manchmal wirft sie sich sogar auf den Rücken nach dem Motto "oh super, du bist da, streichle mich" oder sie schnappt sogar, um mir zu demonstrieren, dass es ihr nicht passt reinzukommen. Gestern hat die sogar auf meinem Bett ihr Geschäft verrichtet. Sowas würde sie sich bei meinem Freund nie trauen.

Meine Fragen sind deshalb:

1. Wie dramatisch/schlimm ist es, wenn mein Freund sie in meiner Abwesenheit so behandelt (denn er wird seine Meinung dahingehend nicht ändern und ich kann sie nicht IMMER von ihm fernhalten)?

2. Provoziert sie mich mit ihrem Verhalten tatsächlich oder ist das eigentlich welpenspezifisch und braucht mehr Geduld/Training? (Den Tipp mit dem Schleppleinentraining habe ich eben gelesen und würd ich z.B. jetzt konsequent üben.)

3. Ich nehme an, dass mein Hund ein eher dominantes Wesen hat und sehr schlau ist und deshalb eine konsequente/sichere Führung braucht, aber was bedeutet das in der Umsetzung? Welche "Konsequenzen" kann es zum Beispiel für "Protestschnappen" geben, ohne ihr durch auf die Schnauze hauen zu signalisieren, dass sie das lassen soll (ich habe nämlich Sorge, dass sie dadurch auch irgendwann aggressiv wird und sich noch mehr wehrt).

Ich weiß, dass sind viele Fragen und ich bin ehrlich, dass ich die Welpenerziehung unterschätzt habe und nicht genug vorbereitet war, aber ich dachte, ich mache es mit meinem Freund zusammen und kann von ihm lernen. Deshalb wäre ich dankbar für eine Antwort oder SERIÖSE Literaturtipps.

Eine Welpen-/Hundeschule werde ich auch aufsuchen, aber durch Corona kann das noch ein wenig dauern und ich habe das Gefühl, ich muss JETZT etwas tun.

Vielen Dank und viele Grüße
2 Antworten
Ellen Mayer | Hundetrainer/in
schrieb am 03.12.2020
Hallo,
in einem hat Ihr Freund Recht: die Rangordnung im Rudel muss eingehalten werden. Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass eine Hundemutter ihre Welpen mit der Schnauze in den Urin drückt. Überhaupt sollte das nicht bestraft werden. Welpen pinkeln nicht aus Bösartigkeit sondern weil sie müssen. Es braucht ein wenig Arbeit, Geduld und Beobachtung um zu erkennen, wann sie müssen und sie dann raus zu tragen. Meine Hunde waren noch immer innerhalb 14 Tagen sauber ohne sie wo rein zu tunken. Man drückt Menschenbabies ja auch nicht mit der Nase in die Windel!
Möglicherweise provoziert die Kleine Sie wirklich denn, gerade Welpen, finden sehr schnell raus, wie weit sie bei wem gehen können.
Wichtig in der Hundeerziehung ist nicht Strenge, Brüllen, Strafen sondern Geduld, Konsequenz und auch Nachsicht. Hunde verstehen unsere Sprache nicht deswegen ist es wichtig, ihnen zu ZEIGEN, was richtig und was falsch ist.
Vor einen Hundebesitzer der viel straft haben Hunde Angst. Vor jemandem, der die Hunde mit Geduld aber Konsequenz erzieht haben sie Respekt. Das ist bei Menschen nicht anders.
Allerdings hängt es auch von dem Hund ab, wie man ihn erzieht. Eine meiner Hündinnen (Malinois/Jagdterrier) hat in der Pubertät draußen immer Anlauf genommen und ist mir voll in den Bauch gesprungen. Ich habe dann immer das Knie hoch gehalten, was sie eigentlich wenig gestört hat bis sie sich mal wirklich weh tat dabei. Danach war Ruhe. Viele würden sagen, das war brutal. Vielleicht. Aber sie hat keinen Schaden genommen und hat auch keine Angst vor mir.
Bei einem zierlichen, sensiblen Pudelchen würde beides nicht vor kommen.
Ein sehr gutes Buch ist von Thomas Bauman :"Was Hündchen nicht lernt". Er wirft nicht mit Wattebällchen, ist aber auch nicht brutal.

Liebe Grüße
Ellen Mayer
www.lesloups.de
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Daniela W.
schrieb am 19.12.2020
Guten Tag,

Sie liegen durchaus richtig damit, die Erziehungsmethoden Ihres Freundes zu hinterfragen, eine sogenannte Rangordnung gibt es nicht, genauso wenig leben Sie mit dem Hund in einem Rudel.
Diese Ansichten sind aus der Vorzeit, mittlerweile weiß man, dass es Alpha-, Beta-, Omega-Tiere auch bei Wölfen nicht gibt. Ein Rudel besteht immer aus Familienmitgliedern, dessen Leittiere die Elterntiere sind und selbst dann ist immer noch der Mensch in dieser Hundehaltung vorhanden, der kein Bestandteil eines Rudels ist.
In einem Rudel würde auch nicht durch Schnappen gemaßregelt, die Elterntiere lassen ihren Nachwuchs entweder gewähren oder knurren, auch Abgrenzung durch Umkreisung oder Schubsen kommt vor. Ich halte mehrere Hunde der gleichen Rasse und das ist Rudel ähnlich, weder bin ich der Boss, noch will einer der Hunde mich in irgendeiner Form dominieren, jeder Hund hat seine Aufgabe in der Gruppe, die beiden ältesten sind auch untereinander nicht dominierend oder unterwürfig, einzig bei Ressourcen setzt einer sich mal durch oder auch nicht. Das wird von allen respektiert.

Hund-Mensch-Zusammenleben ist kein Rudel.
Das Tierschutzgesetz verbietet Erziehungsmethoden, wie die Ihres Freundes, sogar. Wie Sie das mit Ihrem Freund klären, da kann ich Ihnen leider keinen Rat geben, ich würde den Hund nicht mehr zu ihm lassen, da diese Erziehungsmethoden eher gewalttätig sind.
Auf Facebook gibt es eine sehr gute Gruppe, in der Sie gut beraten werden, in der Gruppe "Trainieren statt Dominieren" werden Sie fündig, wenn Sie einen Hundetrainer in Ihrer Nähe suchen.
Ihr Hund schnappt nach Ihnen, weil möglicherweise andere Signale (Knurren) nicht erlernt, verboten oder ignoriert wurden. Knurren darf nicht verboten werden, es ist zu respektieren, wenn Ihr Hund Ihnen sagt, dass er etwas nicht möchte. Respektieren Sie auch den Warnbiß und bestrafen Sie ihn nicht dafür. Wenn er beim Tierarzt Terror macht, besuchen Sie Ihren Tierarzt mehrmals die Woche, kurz ins Vorzimmer und wieder raus. Man kann Hunde auch an Dinge heranführen und dennoch respektieren, wenn sie ihren Unmut äußern!
Jeder Hund ist mit Konsequenz zu trainieren, nicht mit Härte.

Ich empfinde die Erziehungsmethoden Ihres Freundes als unzumutbar für den Hund, es ist dramatisch wenn er so und Sie anders trainieren.
Der Welpe provoziert Sie nicht, wenn er weit wegläuft und wieder zurück kommt, kann das Spiel sein, möglicherweise vertraut er Ihnen auch mehr und erlaubt sich daher mehr Freiheiten, das ist für Junghunde normal. Sie sollten ihm nicht hinterher laufen und auch nicht ständig nach ihm rufen, wechseln Sie die Richtung und entfernen sich von ihm, verstecken Sie sich hinter einem Baum. Wenn er kommt, loben Sie ihn, streicheln ihn und es ist ok, wenn er sich auf den Rücken legt und sich kraulen lässt. Wenn dies nichts bringt, Schleppleine. Alles, was Sie ihm beibringen wollen, sollte mit einer positiven Erfahrung verknüpft werden. Bestrafen Sie den Welpen nicht, wenn er sein Geschäft in Ihrer Nähe verrichtet, nehmen Sie ihn während der Tat weg und gehen Sie schnell mit ihm raus, macht er sein Geschäft draußen, loben Sie ihn so, wie er es gerne hat oder geben einen Hundesnack.
Der Australian Shepherd ist eine schwierige Rasse, die viel Bewegung und Training braucht, er will gefordert werden. Am besten Sie suchen online Kontakte zu erfahrenen Hundehaltern und tauschen sich aus, solange wie es mit Corona andauert.
Das Lernen der hündischen Kommunikation halte ich auch wichtig, auch auf Facebook gibt es Gruppen, die sich mit der Analyse der Körpersprache befassen.

Viel Erfolg und ich drücke Ihnen die Daumen!
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