Ein Gastartikel von Tierpsychologe Joe Rahn
Die ganze Nacht ist Lupo durch die Wohnung gewandert. Ständig hörte man seine Krallen über den Boden ticken. Dann war endlich Ruhe und ich dachte, dass er sich endlich hingelegt hatte und schlief. Als ich aufstand, um nach ihm zu sehen, stand er regungslos im Flur und starrte ins Dunkel. Da stand er mit Sicherheit schon seit mindestens zehn Minuten.
Ich brachte ihn in sein Körbchen. Er legte sich hin und blieb zum Glück auch liegen. Es war bereits die achte Nacht, in der er das machte. Ich legte mich auch wieder hin und schlief ein. Irgendwann wurde ich wach, weil ich den warmen Atem meines Hundes im Gesicht spürte. Es stand vor meinem Bett und blickte mich an. Er muss raus, schoss es mir durch den Kopf. Also stand ich auf und ging mit ihm vor die Tür. Doch mehr als das simple Betrachten der dunklen Nacht passierte nicht. Da wusste ich, dass es so nicht weitergehen kann und mit Lupo irgendetwas nicht stimmt.
Dieses oder ähnliche Szenarien erleben immer mehr Hundebesitzer, deren Hund demenzähnliche Symptome zeigt. Jene äußern sich – wie bei dementen Menschen – in Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit. Begrifflich ist beim Menschen die Demenz mit verschiedenen Tests verknüpft, die so beim Haustier nicht durchgeführt werden können, weshalb man beim Tier im medizinischen Sinne nicht von „Demenz“ sprechen kann, sondern von „demenzähnlichen Symptomen“.
Woran erkenne ich eine demenzähnliche Erkrankung beim Hund?
Die kognitive Dysfunktion stellt eine Art seniles Symptom dar, das einem kognitiven Verfall der Gehirnleistung gleichkommt. Sie tritt bei Hunden im mittleren und höheren Alter auf und muss zur eindeutigen Klassifizierung eine andauernde identifizierbare Beeinträchtigung von mindestens einem Monat, besser zwei Monaten aufweisen. Auffallende Verhaltensweisen sind ein insgesamt verwirrter Eindruck, keine Reaktion auf das Rufen seines Namens oder auf Gesten und Kommandos, die er einmal erlernt hat. Er steht vor seinem Fress- oder Wassernapf, obwohl er gerade erst gefressen bzw. getrunken hat. Manchmal bleibt er einfach hinter Möbeln und in Ecken stehen und findet den Weg nicht mehr heraus. Zudem ist der Krankheitsverlauf von Unsauberkeit im Haus begleitet. Der Hund scheint einfach zu vergessen, wo er sich gerade befindet und dass er gelernt hat, sein Geschäft draußen zu verrichten. Man kann diese Symptome und Verhaltensmuster als grundlegend bezeichnen, auch wenn sich diese von Hund zu Hund verschieden äußern und in unterschiedlicher Ausprägung auftreten.
Verhaltensauffälligkeit und Fehlverhalten
Der betroffene Hund versteht die einmal erlernten Kommandos nicht mehr, wodurch dem Besitzer zu Anfang das Gefühl vermittelt wird, der Hund widersetze sich bzw. verweigerte das Kommando. Es kann auch vorkommen, dass er unsicher wird und sich dadurch zurückzieht, knurrt, sich nicht mehr anfassen lassen will und eventuell schnappt. Dies können erste Anzeichen einer demenzähnlichen Erkrankung sein. Wichtig ist, dass Sie immer vorsichtig und ohne Druck auf den Hund eingehen und ihn aus für ihn unangenehmen Situationen herausnehmen. Der Hund benötigt Sicherheit, Routine, seine gewohnten Umgebungen und Menschen. Auch olfaktorische Geruchswahrnehmungen sind gut für sein Wohlbefinden. Legen Sie daher T-Shirts oder Decken mit dem Geruch seiner Bezugspersonen an Orte, an denen er ruhen kann.
Ernährung und Behandlung betroffener Hunde
Die Ernährung des dementen Hundes sollte vitaminreich gestaltet werden. Der nachlassenden Gehirnleistung wird mit B-Vitaminen begegnet. B1, B6 und B12, gepaart mit leicht verdaulichen Proteinen und Gemüse. Leicht verdauliche Proteine sind helles Muskelfleisch vom Huhn oder Fisch. Das Futter mit hochwertigen, ungesättigten Fettsäuren aus Ölen wie Hanföl oder Lachsöl versehen. Zudem mäßige Kohlenhydrate wie Reis oder Süßkartoffel verwenden. Eine Behandlung mit Aromatherapie, Bach-Blüten, homöopathischen Mitteln und akustischen Reizen, wie z.B. das Vorspielen von Hörspielen, sind probate Hilfen.
Ein Hund, bei dem eine demenzähnliche Erkrankung vermutet wird, sollte zudem immer einem Tierarzt vorgestellt werden. Hier wird das Ausmaß der Erkrankung ermittelt und eventuell ein Präparat verabreicht, das es dem Hund leichter macht, seinen stressigen Alltag zu bestehen. Denn alt werden kann er mit dieser Krankheit, sogar sehr alt.