Geschrieben von Hundetrainerin Dolly Niass

Wie der Alltag mit Hund oft aussieht

Ihr Hund befindet sich im Freilauf und genießt das Spiel mit Artgenossen. Nun wird es aber Zeit. Sie rufen Ihren Hund, der aber gerade so im Spiel vertieft ist, dass er nicht sofort reagiert. Sie rufen ein zweites Mal. Diesmal schon energischer. Ihr Hund dreht sich zu Ihnen um. Das ist für Sie die Chance gleich ein drittes Mal zu rufen, dabei ist die Stimme aber schon leicht gereizt: „Komm jetzt, wir gehen“. Das Hundehirn schaltet jetzt auf Vorsicht: „Oh man, mein Mensch ist aber gar nicht gut drauf“.

Stress und Missverständnisse

Der Stresspegel des Hundes steigt an. Er geht also schon nicht mehr ganz so euphorisch auf seinen Halter zu. Nun denken Sie: „Meine Güte, er hat schon wieder Beton an den Pfoten“. Sie werden langsam richtig wütend. Die Stimme ist jetzt sehr gereizt: „Verdammt, komm jetzt hiiiier hin“. Die Fellnase denkt: „Oh schreck, hier ist jetzt wirklich nicht gut Kirschen essen angesagt, ich verzieh mich lieber und warte aus sicherer Entfernung ab bis mein Frauchen/Herrchen nicht mehr so aufgeregt ist“ – und da platzt der Knopf vom Kragen. Sie haben keine Zeit, der Hund stellte sich taub, er weicht Ihnen mehrmals aus oder rennt sogar weg. 

Spätestens jetzt ist ein dickes Missverständnis zwischen Mensch und Hund entstanden. Der Mensch denkt: „Der Hund will mich doch veräppeln und macht sich über mich lustig, weil er jetzt auch noch vor mir wegläuft. Dem werde ich es zeigen, sobald ich ihn erwische“. Er steht total unter Stress, hechelt wie verrückt, der Kopf ist tief gebeugt, die Ohren sind angelegt. Er befindet sich im Konflikt. Einerseits möchte er zum Menschen kommen, weil er ihn gerufen hat. Andererseits bemerkt er das wütende Verhalten seines Besitzers. Er geht deshalb auf Distanz.

Was nun?

Dem Hund stehen vier mögliche Verhaltensweisen zur Verfügung:

  1. Entweder versucht er die Situation zu beschwichtigen, indem er spontane Verhaltensweisen zeigt die augenscheinlich gar nicht zur momentanen Situation passen: sich schütteln, gähnen, hinterm Ohr kratzen, mehrmals über die Nase lecken, nicht zielgerichtet schnüffeln, buddeln oder seinen Besitzer zu einem Fangspiel auffordern. All das hätte unter Artgenossen eine deeskalierende Wirkung. 
  2. Er friert an Ort und Stelle ein, wird stocksteif und bewegt sich keinen Schritt mehr. 
  3. Er flüchtet aus der angespannten Situation und baut so Distanz zum Halter auf
  4. Er verteidigt sich, wenn es ihm „an den Kragen geht“ mit allen Mitteln die ihm zur Verfügung stehen: knurren, Zähne fletschen, im schlimmsten Fall sogar beißen.

Des Problems Lösung

Folgende Tipps können helfen:

  • Kein Freilauf, wenn nicht genügend Zeit zur Verfügung steht. 
  • Achten Sie darauf, wann Ihr Hund aufmerksam ist. Signalisieren Sie nur einmal den Rückruf und das nur dann, wenn Sie auch wirklich sicher sind, dass er zurück kommt (z.B. wenn er gerade nicht mehr an etwas schnüffelt).
  • Kommt er beim ersten Ruf nicht, dann nicht abwarten! Gehen Sie ruhigen Schrittes hin und nehmen ihn kommentarlos aus dem Spiel/aus der Ablenkung. 
  • Treten Sie seitlich und mit freundlicher Körperhaltung an ihn heran. Nicht frontal und vor Wut schnaubend.
  • Holen Sie tief Luft, atmen sie langsam aus und bleiben Sie gelassen.
  • Planen Sie vorausschauend immer etwas mehr Zeit ein oder bitten Sie ein Familienmitglied, einen Bekannten oder eine Nachbarin, die Gassirunde zu übernehmen.

Sie werden merken, dass Ihr Alltag mit Hund viel entspannter werden wird. 

Foto: © Maria Sbytova/Adobe Stock