Lähmungen, Krämpfe, Verhaltensstörungen: Neurologische Symptome bei Hund und Katze sind sehr vielfältig. Nicht immer muss das Nervensystem selbst der Auslöser dafür sein. Wie Tierärztinnen und Tierärzte Gehirn, Rückenmark und Nerven untersuchen und welche Organe noch angeschaut werden sollten, lesen Sie in diesem Artikel.


Inhaltsverzeichnis:


Was sind neurologische Symptome?

Zum Nervensystem gehören neben dem Gehirn das Rückenmark, die Nerven und die Sinneszellen. Je nachdem, welcher Bereich gestört ist, sind die möglichen Erscheinungsbilder bei den Patienten sehr umfangreich. Hier beispielhaft ein paar Symptome, die auftreten können:

  • Veränderungen des Bewusstseins wie Teilnahmslosigkeit, Schläfrigkeit oder Koma (z.B. bei Schädeltrauma)
  • Kopfschiefhaltung (z.B.  bei Erkrankung des Gleichgewichtsystems)
  • Desorientierung (z.B. bei Enzephalitis)
  • Gleichgewichtsprobleme (z.B. bei Schlaganfall)
  • Schmerzäußerung (z.B. bei Bandscheibenvorfall)
  • Stolpern oder Lahmheit (z.B. bei Erkrankung der Nerven)
  • Im Kreis laufen (z.B. bei Hirntumor)
  • Herunterhängen z.B. des Ohres, der Lippe (z.B. bei Gesichtsnervenlähmung)
  • Schluck- oder Sehstörungen (z.B. bei Entzündung des Hirnnervs)
  • Krampfhafte Anfälle (z.B. bei Epilepsie)

Notfall: Nach einem schweren Unfall oder Sturz Ihres Vierbeiners sollten Sie schnellstmöglich in die Tierarztpraxis. Es kann zu einem Schädeltrauma und dadurch zu einem Anstieg des Drucks in der Schädelhöhle kommen. Das Gehirn wird dann zu schlecht durchblutet und es herrscht Lebensgefahr.


Wann ist eine neurologische Untersuchung bei Katzen und Hunden nötig? 

Diese Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten, denn: Nicht immer wenn neurologische Symptome wie Lähmungen, Krämpfe oder Verhaltensstörungen auftreten, ist das Nervensystem selbst erkrankt.  Je nach Erscheinungsbild können orthopädische, kardiologische und metabolische Probleme ähnlich aussehen. Eine Lahmheit beispielsweise kann neurologisch – also durch das Nervensystem – oder orthopädisch, beispielsweise durch Veränderungen an Knochen, Bändern und Muskeln, ausgelöst sein. 

Gangschwierigkeiten können durch Schmerzen, Taubheit in den Gliedmaßen oder Koordinationsschwierigkeiten bedingt sein. Und eine Entzündung des Innenohres führt ebenso zu Symptomen wie Gleichgewichtsstörungen oder Kopfschiefhaltung wie bestimmte Veränderungen im Gehirn. Gleichzeitig können neurologische Ausfälle andere Symptome oder Krankheiten verursachen. Ein Beispiel ist eine Harnwegsinfektion, die dadurch ausgelöst wird, dass der Harnabsatz aufgrund von Veränderungen im Rückenmark nicht mehr so gut funktioniert. Kurz: Es lohnt sich stets, den gesamten Patienten zu betrachten. Die richtige Diagnose ist entscheidend für die weitere Behandlung.

Vorbericht

Da die Ursachen neurologischer Symptome sehr verschieden sein können und nicht neurologischen Ursprungs sein müssen, ist die Anamnese besonders wichtig. Da einige Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall beim Dackel und Epilepsie beim Golden Retriever rassetypisch sind, ist hier auch die Rasse sehr wichtig. Im besten Fall wissen Sie, ob bei den Eltern oder Wurfgeschwistern Erkrankungen bestehen, die möglicherweise vererbt wurden. Diesbezüglich spielt auch die Fellfarbe eine Rolle, denn manche Dalmatiner beispielsweise sind von Geburt an taub.

Gut zu wissen: Einige Parasitosen im Ausland können neurologische Erkrankungen begünstigen, wie beispielsweise die von Zecken übertragene Babesiose, die auch in Deutschland eine immer größere Rolle spielt.


Bezüglich der Symptome können unter anderem folgende Rückfragen kommen:

  1. Seit wann besteht die Symptomatik, wie genau sieht sie aus und wird sie mit der Zeit oder in bestimmten Situationen besser oder schlechter (z.B. vor oder nach dem Füttern)?
  2. Besteht die Gefahr einer Vergiftung?
  3. Ist das Fress- und Trinkverhalten sowie Harn- und Kotabsatz normal?
  4. Sind Gang oder Haltungsveränderungen aufgefallen?
  5. Verhält sich Ihre Katze oder Ihr Hund anders?

Wichtig: Bei Krampfanfällen ist eine Videoaufnahme des Anfalls sehr hilfreich, da die Tierärztin oder der Tierarzt diesen in der Regel nicht zu sehen bekommt.

 
Allgemeine Untersuchung

Möglicherweise kann schon in der Allgemeinen Untersuchung festgestellt werden, ob die Erkrankung nur einen bestimmten Bereich betrifft – wie bei einem Bandscheibenvorfall – oder den ganzen Körper, beispielsweise bei einem Diabetes. Außerdem gibt sie Hinweise, ob es sich um eine neurologische Störung handelt oder andere Erkrankungen wie eine Herzschwäche oder eine Ohrentzündung die Symptome bedingen.

Ergänzende Untersuchungen

Um zum Beispiel einen Nährstoffmangel oder eine Vergiftung als Ursache sowie sekundäre Folgeerkrankungen auszuschließen, wird zusätzlich zu der eigentlichen neurologischen Untersuchung möglicherweise eine Blutuntersuchung gemacht. Auch eine Ultraschalluntersuchung kann sinnvoll sein, um andere Erkrankungen auszuschließen. Oft erfolgen diese Untersuchungen nach der allgemeinen Untersuchung. Wird der „Übeltäter“ dann schon gefunden, ist mitunter gar keine neurologische Untersuchung bei Ihrer Katze oder Ihrem Hund nötig.

Neurologische Untersuchung

Als erstes, wird die geschaut, welcher Teil des Nervensystems bei Ihrer Katze oder Ihrem Hund betroffen ist. Die neurologische Störung kann vom Gehirn ausgehen, das Rückenmark betreffen oder die Nervenbahnen, die Impulse zu den Organen leiten. Davon ist der neurologische Untersuchungsgang abhängig.

Beobachtung

Nicht wundern: Oft wird dieser Teil der neurologischen Untersuchung schon nebenbei während des Gesprächs durchgeführt. Möglicherweise fällt es Ihnen also gar nicht auf.


Oft müssen gar keine konkreten Untersuchungen durchgeführt werden, um die Auffälligkeiten

Oft müssen gar keine konkreten Untersuchungen durchgeführt werden, um Auffälligkeiten, die auf eine neurologische Störung hinweisen, wahrzunehmen. Deswegen guckt die Tierärztin oder der Tierarzt sich Ihren Vierbeiner zunächst an und schaut, wie er sich verhält, wie die Körperhaltung ist und wie er läuft. Dabei wird beobachtet, ob Ihre Katze oder Ihr Hund aktiv oder teilnahmslos oder aggressiv ist, wie die Kopfhaltung ist, ob Kopf und Hals oder Gliedmaßen überstreckt werden, ob der Rücken z.B. aufgekrümmt ist, ob der Gang humpelnd, stolpernd oder asymmetrisch ist oder Ihr Vierbeiner sogar im Kreis läuft.

Tipp: Bei Katzen sehen Sie eine Gleichgewichtsstörung oft durch einen senkrecht gehaltenen Schwanz, eine breitbeinige Beinstellung und einen geduckten Körper. Der Schwanz dient sozusagen als Balancehilfe. Gangprobleme machen sich oft durch Gang-Erschwernisse wie Treppenlaufen, Hindernisse oder enge Wendungen bemerkbar.


Neurologische Tests

Im nächsten Schritt können eine Reihe von neurologischen Tests durchgeführt werden, um das Nervensystem zu untersuchen. Dabei werden zwischen Tests der Haltungs- sowie Stellreaktionen, der Reflexe und der Kopfnerven (zuständig für das Sehen, Hören, Schlucken usw.) unterschieden.

Haltungs- und Stellreaktionen

Bei den Tests der Haltungs- und Stellreaktion wird beispielsweise die normale Pfotenstellung verändert und getestet, ob Ihre Katze oder Ihr Hund die Position von alleine korrigiert und in der Lage ist, Bewegungsabläufe zu koordinieren.

Reflexe testen

Genau wie wir haben Tiere bestimmte Reflexe beispielsweise den Kniesehenreflex, die mithilfe eines Reflexhammers ausgelöst werden können. Bei neurologischen Störungen kann die Reaktion abgeschwächt sein, ganz ausfallen oder auch extremer als normal sein. Je nach dem kann Rückschluss auf die Lokalisation der Störung gezogen werden.

Test der Hirnnervenfunktionen

Auch die Nerven des Gehirns lassen sich recht einfach testen. Dazu wird unter anderem probiert, ob der Vierbeiner Futter riecht, auf Geräusche reagiert und einen runterfallenden Wattebausch mit den Augen verfolgt. Des Weiteren wird der Schluck- und der Pupillen-Reflex getestet. Außerdem wird die Reaktion auf die Berührung des Lidwinkels und -bei bewusstlosen Tieren – des Augapfels beobachtet sowie die Augenbewegungen.

Prüfen der Sensibilität

Dieser Teil der Untersuchung kann auch als Test der Schmerzreaktion bezeichnet werden, da hierbei das oberflächliche und tiefe Schmerzempfinden geprüft wird. Dabei wird zunächst die Sensibilität der Haut getestet. Eine Reaktion kann auf Schmerz, Druck oder Temperatur erfolgen. Wenn dies keine verdächtigen Befunde aufweist, werden meistens keine weiteren Schmerzrektionen untersucht. Hat Ihr Vierbeiner hierbei jedoch keine Reaktion gezeigt, wird etwas kräftiger in die Haut oder auch mit einer Klemme in die Krallengelenke gekniffen. Das kann unangenehm für Ihren Vierbeiner sein, ist aber sehr wichtig zur Feststellung der Lokalisation der neuronalen Erkrankung und für die Prognose.

Weiterführende Untersuchungen

Reichen all diese Untersuchungen bei Ihrem Hund oder Ihrer Katze nicht, um eine Diagnose zu stellen, gibt es einer Reihe weiterer Untersuchungsmöglichkeiten. Neben bildgebenden Verfahren wie Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) und Röntgen, lässt sich hier die Liquoruntersuchung als spezielle neurologische Untersuchung nennen.

Liquoruntersuchung

Die Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit wird häufig nur von Spezialisten (Neurologinnen und Neurologen) durchgeführt. Der Liquor wird mit einer langen Nadel aus dem Rückenmark entnommen und dessen Aussehen beurteilt sowie die enthaltenden Zellen bestimmt und gezählt. So können Rückschlüsse vor allem auf Entzündungen und Infektionen, aber auch auf Traumata oder metabolische Erkrankungen gezogen werden. Für die Liquorentnahme wird Ihr Hund oder Ihre Katze in Narkose gelegt, da die Entnahme etwas schmerzhaft ist und Ihr Vierbeiner ganz still halten muss.

Alles in allem ist die neurologische Untersuchung zwar umfangreich aber wird von den meisten Vierbeinern gut mitgemacht.

Kosten einer neurologische Untersuchung

Die neurologische Untersuchung beim Hund und bei der Katze kostet etwa 25 bis 55 Euro netto. Eine Liquor-Entnahme beläuft sich auf rund 35 bis 70 Euro und die Laboruntersuchung des Liquors kostet ungefähr 35 bis 75 Euro. Die Kosten für weitere Untersuchungen kommen natürlich hinzu und im Notdienst können die Kosten erhöht sein.

Dieser Artikel wurde geprüft von Tierärztin Melanie Müller.

Die genannten Informationen stellen keine Anleitung zur Selbstdiagnose und Behandlung von Tierkrankheiten dar. Tierhaltende sollten bei gesundheitlichen Problemen ihres Tieres in jedem Fall eine Tierärztin oder einen Tierarzt um Rat fragen. Diagnosen über das Internet sind nicht möglich.

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